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Ein unheimliches Rauschen begleitete die Söhne der Stammeshäuptlinge auf ihrem Weg durch die
dunklen Gänge. Der Hohepriester hatte sie einzeln auf die Suche nach dem Gott der Tiere
durch das Labyrinth des Tempels geschickt. Nur die Auserwählten fanden den Gott im
Lichtstahl!
Könnte es so gewesen sein? Tatsächlich gibt es viele offene Fragen um die Lebensweise der
Menschen der Chavin-Kultur.
Eingeordnet wird diese frühe peruanische Kultur in die Zeit von etwa 900 bis 200 vor unserer
Zeitrechnung. Die Menschen waren sesshaft geworden, betrieben Ackerbau und Viehzucht. Über
Religion und Handel entstanden Verbindungen zwischen den einzelnen Stämmen eines
weiträumigen Gebietes. Diese erste bekannte Form einer Zivilisation im zentralen Hochland
von Nord-Peru erhielt die Bezeichnung Chavin-Kultur. Benannt wurde sie nach Chavin de
Huantar, einer archäologischen Stätte in Peru, die seit 1985 zum Weltkulturerbe der UNESCO
gehört.
Chavin de Huantar ist das älteste bekannte Steinbauwerk Perus, wahrscheinlich ist es die
Ruine eines monumentalen Heiligtumes. Chavin war keine Wohnsiedlung, sondern ein Ort für
religiöse Zeremonien, vielleicht eine Art Wallfahrtsort. Forschungen ergaben, dass nie mehr
als 1000 Menschen hier gewohnt haben. Die Umgebung war für eine großflächige Landwirtschaft
nicht geeignet. Auch die Lage des Ortes spricht für diese religiöse Bedeutung, zentral auf
der Nord-Süd-Route und zwischen Küste und Hochland.
Die gesamte Anlage umfasste mehrere Gebäude und Plattformen, die mit unterirdischen Gängen
verbunden waren. Vom zentralen Platz mit einer quadratischen Vertiefung führten Stufen über
weitere Ebenen zum Hauptgebäude. Zwei weitere Gebäude befanden sich neben diesem
Hauptgebäude, u-förmig um einen kleineren Platz angeordnet. Im Zentrum dieses Platzes befand
sich ebenfalls eine Vertiefung.
Die Mauern der Bauwerke waren bis zu 15 m hoch und leicht nach innen geneigt. Reihen aus
hohen Steinquadern wechselten sich mit Reihen aus flacheren Steinen ab. Die Mauern wiesen
kaum sichtbare Öffnungen auf und wurden nur durch einige steile Treppen unterbrochen. Die
Gebäude wirkten dadurch sehr massiv. Am oberen Rand des Hauptgebäudes waren in regelmäßigen
Abständen riesige Tierköpfe angebracht, von denen sich heute nur noch einer am Originalplatz
befindet. Weitere Köpfe sind im angeschlossenen Museum zu besichtigen. Ein großes
Steinportal mit Reliefsäulen ist ebenfalls noch erhalten. Mauern und Wände waren mit
Steinreliefs verziert, auch die Vertiefungen der Plätze waren mit Reliefsteinplatten
eingefasst. Hauptmotive dieser Reliefs und Köpfe waren Tierdarstellungen (Jaguare,
Schlangen, Kaimane und Raubvögel).
Ein umfangreiches Bewässerungssystem diente dem Schutz vor Überflutungen. Einige Kanäle
führten auch unter dem Tempel hindurch, was je nach Wassermenge zu unheimlichen Geräuschen
geführt haben könnte.
Das Innere des Tempels bestand aus einem Labyrinth aus Kammern, Treppen, Plattformen und
unterirdischen Gängen, die wiederum durch kleine Öffnungen und Schächte belüftet wurden. Die
unterirdischen Gänge führten zu einer mehr als 4 m hohen Stele.
Die hohe schmale Form gab diesem im Boden und in der Decke verankerten Granitmonolithen den
Namen El Lanzon – Lanze oder Speer. Dargestellt ist ein Wesen halb Mensch halb Tier,
vielleicht die oberste Gottheit der damaligen Religion. Der Stein ist mit vielen
detaillierten Darstellungen überzogen; mit Raubtierzähnen im riesigen Mund, Schlangenhaaren
und weiteren Tiersymbolen.
El Lanzon ist die älteste und größte von drei bekannten großen Stelen, die typisch sind für
Darstellungen auf Fundstücken aus dieser Zeit und damit beispielhaft für solche Reliefs mit
überwiegend Tierdarstellungen der Chavin-Kultur. Die anderen beiden, die Raimund-Stele und
der ursprünglich auf dem zentralen Platz stehende Tello-Obelisk, befinden sich im
Archäologischen Museum in Lima.
Es ist das Besondere an El Lanzon, dass sich dieser Monolith an seinem ursprünglichen Ort
befindet.
Die reliefartigen Tierdarstellungen wurden auch auf einfach gearbeitetem Goldschmuck,
Keramik und Textilien aus der weiteren Umgebung gefunden. Auf diesen Fundstücken gründen
sich die Theorien über die räumliche und zeitliche Ausdehnung der Chavin-Kultur. Sie hatte
Einfluss auf alle folgenden peruanischen Kulturen bis hin zu den Inkas.